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Leben im Hospiz: “Hier geht es darum, dass wir zusammen sind.”

Gemeinschaft hilft uns durch schwere Zeiten. Gemeinschaft teilt Leid. Und sie vermehrt unsere Freude. Wie die Gemeinschaft selbst am Lebensende wertvolle Kraft spenden kann, hat Juli erfahren, die in unserem Hamburg Leuchtfeuer Hospiz lebt. Hier können Sie ihre Geschichte lesen. 

Vormittags ist eine gute Zeit, um sich mit Juli für ein Gespräch zu verabreden. In der Regel packt einer ihrer Übernachtungsgäste gerade seine sieben Sachen, um zur Arbeit oder für eine Weile nach Hause zu fahren. Tatsächlich ist Juli seit ihrem Einzug ins Hospiz nur selten allein: Ihr Mann Dirk und ihre Freund*innen haben einen digitalen Besuchs-Kalender erstellt, auf den alle zugreifen können und in den sie sich abwechselnd eintragen. „Aber auch, wenn mal niemand über Nacht bleibt, schlafe ich meistens tief und fest“, sagt Juli. „Weil ich weiß, dass hier immer sofort jemand kommt, falls ich doch Hilfe brauche.“

Juli (links) mit ihrer Freundin Mira in ihrem Zimmer im Hamburg Leuchtfeuer Hospiz. (Foto: Julia Sang Nguyen)

Juli ist seit ihrer Ankunft im Hospiz nur selten allein (c) Julia Sang Nguyen

Es war klar: Hier stimmt etwas nicht

Anfang des Jahres wurden bei Juli zwei Hirntumore diagnostiziert. Zuerst hatte sie gar nicht daran gedacht, dass etwas Ernstes hinter ihren wiederkehrenden Kopfschmerzen stecken könnte, aber dann fand sie sich immer häufiger in beunruhigenden Situationen wieder. „Einmal saß ich bei der Arbeit und wusste plötzlich nicht mehr, wie das geht“, erzählt die Zahntechnikerin. „Dabei mache ich den Job seit dreißig Jahren.“ Ein anderes Mal musste sie feststellen, dass sie sich auf einem Weg, den sie unzählige Male gelaufen war, komplett verirrt hatte. „Spätestens da war mir klar, hier stimmt etwas nicht.“

Einzug ins Hospiz? Wenn, dann nur hier!

Eine Computertomographie ihres Kopfes brachte schließlich Gewissheit. „Mir wurde auch gleich gesagt, dass ich an den Tumoren sterben werde. Ich bin zwar noch zweimal operiert worden, dazwischen bekam ich Chemo und Bestrahlung. Aber es war immer klar, dass es nur darum geht, etwas Zeit zu gewinnen.“ Zeit, die Juli notgedrungen immer häufiger im Krankenhaus verbrachte. „Gerade an den Wochenenden war es dort immer sehr still. Aber natürlich war es auch kein Zustand, dass ich zuhause ständig zusammenklappe und immer wieder in der Notaufnahme lande.“ Im Juni war klar, es muss eine andere Lösung her. „Da haben wir im Krankenhaus das erste Mal darüber gesprochen, dass ich ins Hospiz ziehe. Meinem Mann war es sehr wichtig, dass ich hierher komme, weil der Großteil unseres Freundeskreises im Dunstkreis des Leuchtfeuers wohnt. Das ist unser Kiez, sozusagen. Mittendrin. Hier kommt jeder schnell hin, das macht natürlich einen Unterschied.“

Juli im Spätsommer vor dem Hospiz. (Foto: Julia Sang Nguyen)

Juli vor dem Hamburg Leuchtfeuer Hospiz auf St. Pauli (c) Julia Sang Nguyen

Das Hospiz als Treffpunkt

Und trotzdem ist der Schritt ins Hospiz natürlich kein leichter gewesen – weder für Juli noch für ihre Lieben. „Alle haben mehr geheult als ich, zumindest war das mein Eindruck. Wir haben uns dann aber ziemlich schnell eingegroovt und einen Rhythmus gefunden, auch mithilfe des Kalenders.“ Das Hospiz von Hamburg Leuchtfeuer ist jetzt der Treffpunkt, an dem das gemeinsame Leben für Juli und alle, die zu ihr gehören, noch ein bisschen weitergehen kann. Besonders die „Kuchenzeit“ um 15 Uhr hat es ihr angetan. „Die liebe ich sehr. Das höre ich auch immer schon von weitem, wenn der Kuchen kommt, der ist so lecker!“

Hier geht es darum, dass wir zusammen sind

Wochentags schaut Julis Mutter zum Mittagessen vorbei, am Wochenende übernehmen die Freund*innen. „Manchmal vergesse ich, dass ich krank bin“, sagt Juli. „Und dann sitzen wir zusammen und die anderen reden darüber, was sie im nächsten Jahr alles vorhaben. Dann fällt mir wieder ein, dass ich wahrscheinlich nicht mehr dabei sein werde.“ Umso wichtiger ist es für Juli, in der wertvollen Zeit, die ihr noch bleibt, nicht allein zu sein. „Hier im Hospiz haben wir einfach dieses Sicherheitsnetz, was die Pflege und all das Medizinische betrifft. Da brauchen sich mein Mann und meine Freundinnen nicht drum zu kümmern, das ist eine Erleichterung für uns alle. Hier geht es einfach darum, dass wir zusammen sind und dieses Miteinander, so gut es eben geht, genießen können.“

Wichtige Kraftquelle: ruhige Momente zu zweit. (Foto: Julia Sang Nguyen).

Das Miteinander spendet Juli Kraft (c) Julia Sang Nguyen

 

So wie Juli verbringen jedes Jahr über 100 Menschen ihre letzte Lebensphase in unserem Hamburg Leuchtfeuer Hospiz. Auf jeden Menschen, der zu uns kommt, gehen wir individuell und persönlich ein – mit seiner Persönlichkeit, seinen Bedürfnissen und seinen Wünschen. Diese zugewandte, menschliche und professionelle Begleitung ist nur möglich, dank der Menschen, die uns und unsere Bewohner*innen regelmäßig mit ihrer Spende unterstützen. Werden auch Sie Teil unserer Gemeinschaft für mehr Menschlichkeit.

Alle Möglichkeiten, uns zu unterstützen, finden Sie hier.


Text: Sabrina Görlitz

Fotos: Julia Sang Nguyen